Eine Porzellanmanufaktur schafft die Wende

Ohne tiefgreifenden Wandel hätte die Meissen-Porzellan auf Dauer nicht überlebt, sagt etwa auch der Aufsichtsratchef des Unternehmens, Kurt Biedenkopf.
Wie der ehemalige Ingenieur das geschafft hat? Mithilfe der hauseigenen Schubladen. Christian Kurtzke hat sich auf das besonnen, was Meissen kann: Gutes Design! Davon konnte er aus einem mehr als 300 Jahre alten Fundus in den Archiven fündig werden. Der Chef hat schlicht die alten Entwürfen aus den Schulbladen gezogen und neu aufgelegt. Im Interview erklärt Kurtzke, wie er seine Strategien umsetzt und warum gutes Design zeitlos ist.
Herr Kurtzke, wie wichtig war bei all den Veränderungen für Sie die Vergangenheit des Unternehmens?
Sehr wichtig. Die Traditionen bilden den Kern unserer Marke, es ist unsere DNA. Dazu gehören unser Qualitätsanspruch, die Handwerkskunst, unsere Kreativität sowie die ständige Suche nach Innovationen.
Jahrzehntelang konzentrierte sich Meissen auf Tisch- und Tafelkultur. Was haben Sie heute für die Zukunft verändert?
Wir haben neue Produktwelten geschaffen wie die Meissen Home Kollektion mit Möbeln, Stoffen und Leuchten, der Home deco Kollektion mit Accessoires für die Inneneinrichtung. Dann die Meissen Joaillerie mit Schmuck und Uhren sowie Meissen Fine Art, die Edition für Sammler.

Mit anderen Worten: Sie haben die Marke diversifiziert?
Das mag für Außenstehende so aussehen. Genau genommen aber haben wir nur Aktivitäten professionalisiert, die die Manufaktur seit Jahrhunderten betreibt. So produzierte Meissen im 18. Jahrhundert erste Leuchter. Und zur Weltausstellung nach Chicago 1893 sandte sie eine Schmucktruhe aus Bronze, Edelholz und Porzellan. Wir knüpfen mit dem Veränderungsprozess an unseren Mythos an.
Wie haben Sie die Mitarbeiter eingestimmt?
Dies ist keine Einmalaktion, sondern erfordert stetiges, geduldiges Aufzeigen, Erläutern, Fordern und Foerdern. Nicht zuletzt auch eindeutiges Sanktionieren von Fehlverhalten, auf allen Ebenen, begonnen von oben.
Welche Kommunikationsmittel nutzen Sie?
Während unsere Manufaktur eher einem Kloster gleicht, in dem die jahrhundertealten Traditionen bewahrt werden, müssen der Vertrieb und der Service wie ein Schwarm funk-tionieren. Nur so werden sie den globalisierten Kundenanforderungen gerecht. Dies geht nur mit modernen Kommunikationsmitteln. Entscheidungen werden inzwischen in Telefonkonferenzen oder auch in webbasierten Videokonferenzen getroffen.

Was sind Ihre Lieblingsobjekte?
Eines unserer ersten Teegefäße aus dem 18. Jahrhundert, das viele Designer für ein Bauhaus-Produkt der Moderne halten. Und der mit Rubinen, Diamanten und Gold verzierte Deckel eines Flacons aus dem 18. Jahrhundert. Aber mein Lieblingsprodukt ist immer meine nächste neue Idee.
Sie haben wohl sehr genau den archivarischen Fundus von Meissen gesichtet?
Das ist eine Lebenslange Aufgabe, bei der man jeden Tag auf‘s Neue überrascht wird. Es gilt, sich von über 700 000 Formen und über 7000 Dekoren aus vier Jahrhunderten inspirieren zu lassen. Und genau das macht den Unterschied zwischen Stil und Design aus: Kultur. Ein echter Luxus in der heutigen, schnelllebigen Zeit.
